[›Er‹]

Er war früher Teil einer monumentalen Gruppe. Um irgend­eine erhöhte Mitte standen in durch­dachter An­ordnung Sinn­bilder des Sol­daten­standes, der Künste, der Wissen­schaften, der Hand­werke. Einer von diesen vielen war er. Nun ist die Gruppe längst auf­gelöst oder wenig­stens er hat sie ver­lassen und bringt sich allein durchs Leben. Nicht einmal seinen alten Beruf hat er mehr, ja er hat sogar ver­gessen, was er damals dar­stellte. Wohl gerade durch dieses Ver­gessen ergibt sich eine gewisse Trau­rig­keit, Un­sicher­heit, Unruhe, ein ge­wisses die Gegen­wart trüben­des Verlangen nach den ver­gangenen Zeiten. Und doch ist dieses Ver­langen ein wichti­ges Element der Lebenskraft oder vielleicht sie selbst.

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Alles, was er tut, kommt ihm zwar außer­ordent­lich neu vor, aber auch entsprechend dieser un­mög­lichen Fülle des Neuen außer­ordentlich dilettan­tisch, kaum einmal er­träg­lich, unfähig histo­risch zu werden, die Kette der Ge­schlech­ter spren­gend, die bisher immer wenigstens zu ahnen­de Musik der Welt zum ersten­mal bis in alle Tiefen hinunter ab­brechend. Manchmal hat er in seinem Hoch­mut mehr Angst um die Welt als um sich.

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Er hat das Gefühl, daß er sich dadurch[,] daß er lebt[,] den Weg ver­stellt. Aus dieser Behinderung nimmt er dann wieder den Beweis dafür, daß er lebt.

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Er lebt nicht wegen seines persönlichen Lebens, er denkt nicht wegen seines persön­lichen Denkens. Ihm ist[,] als lebe und denke er unter der Nötigung einer Familie[,] die zwar selbst überreich an Lebens- und Denk­kraft ist, für die er aber nach irgend­einem ihm unbekannten Gesetz eine for­melle Not­wendig­keit be­deu­tet. Wegen dieser un­bekann­ten Familie und dieser un­bekannten Gesetze kann er nicht ent­lassen werden.

Franz Kafka